"Walter, mach dich fertig!"Sein Telefon schrillte kurz nach Mitternacht. Walter Lembke, Kommandeur des 7. Bataillons der Berliner Kampfgruppen, fuhr schlaftrunken aus dem Bett und griff zum Hörer. Von einer ihm bekannten Stimme hörte er nur einen kurzen Satz. Keinen Befehl, keine Losung, nur eine schlichte Aufforderung: "Walter, mach dich fertig!" Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung fügte der Mann am anderen Ende der Leitung hinzu: "Es ist soweit!" Walter Lembke war mit einem Schlag hellwach. Er wußte damit noch nichts, verstand aber sofort, daß es um entscheidende, weitreichende Aktionen ging.

Während der andere bereits die Gabel niedergedrückt hatte, um den nächsten Bataillonskommandeur zu alarmieren, saß Walter Lembke noch starr und lauschte in die wieder stillgewordene Muschel. Ein Sturm von Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen warf sich auf ihn. Und dazwischen drängten sich Fragen: Hatte der Gegner den beabsichtigten Putsch in der DDR inszenieren können? Aber nein! Hätte dann der Nachsatz nicht anders geklungen? Hatte der Westen einer friedlichen Lösung der Westberlinfrage zugestimmt? Warum aber wurde dann sein Bataillon alarmiert? Eines stand für ihn fest: Es wurde eine Operation durchgeführt, um den Gefahrenherd Westberlin einzudämmen. Er warf den Hörer auf die Gabel und sprang auf.

Während Walter Lembke sich hastig fertigmachte, dachte er plötzlich an eine Versammlung in einem Berliner Großbetrieb. Mehrere tausend Arbeiter und Angestellte schauten gespannt zum Rednerpult. Sie erwarteten Antwort auf die Frage:

Wie können die Probleme gelöst werden, die aus der offenen Grenze zu Westberlin herrühren? Walter Ulbricht, Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED, erläuterte die politische Lage. Wie hatte er doch auf die Fragen der Werktätigen geantwortet, die wissen wollten, wann endlich die Grenze zu Westberlin dichtgemacht, die Ausplünderung der DDR unterbunden und die Kriegsgefahr durch entschiedene Maßnahmen beseitigt werden wird? Walter Lembke fiel die Antwort sinngemäß wieder ein: Es wird nicht mehr lange dauern, und es ändert sich! Wie schon öfter in der letzten Zeit, so versuchte auch auf dieser Veranstaltung ein Provokateur, Stimmung gegen die Politik von Partei und Regierung zu machen. Die empörten Arbeiter setzten ihn vor die Tür. Es war nicht zu übersehen, die Feinde des Sozialismus traten immer offener in der Hauptstadt auf.

 
Wilhelm Hagedorn
ermordet am 17. Juni 1953
Schon auf dem Weg zum Befehlsempfang blitzte ein anderes, schon leicht verblaßtes Bild in ihm auf. Er sah sich mit anderen Genossen auf dem Potsdamer Platz nahe der Grenze zu Westberlin. 17. Juni 1953. Gegner des Sozialismus im Innern der DDR versuchten, Unzufriedenheit und Mißstimmung in der Bevölkerung zur Beseitigung des Arbeiter-und-Bauern-Staates zu nutzen. Sie erhielten Anleitung und Verstärkung aus Westberlin. Mitglieder der SED, aber auch Angehörige der Blockparteien sowie parteilose Arbeiter und Angestellte stellten sich damals den johlenden Horden entgegen. Mit Worten war da nichts mehr zu machen. Er selbst trug noch tagelang die Zeichen der Argumente des Klassenfeindes im Gesicht und am Körper. Anderen erging es noch schlimmer. Die auf dem Territorium der DDR stationierten Sowjetsoldaten und die bewaffneten Organe der DDR trugen am 17. Juni entscheidend zum schnellen Zusammenbruch dieses Putschversuches bei. Walter Lembke atmete tief durch. Dieser Tag ist Geschichte. Er wird sich nicht wiederholen! Die SED hatte weitreichende Schlußfolgerungen für die Wirtschafts-, Sozial- und Bündnispolitik in der DDR gezogen. Bis September 1953 waren dann die Kampfgruppen der Arbeiterklasse gebildet worden.

Gewöhne dem Marder das Morden ab und dem Imperialismus das Ausrauben und Ausbeuten der Völker! Beides geht nicht, denn ohne Mord ist der Marder kein Marder und ohne Raub und Ausplünderung der Imperialismus kein Imperialismus. Beide lernen Vorsicht, können ihr Wesen aber nicht aufgeben, ohne sich ganz aufzugeben. Walter Lembke war daher nicht sonderlich verwundert, als in den letzten Jahren Aggressionspläne gegen den deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staat bekannt wurden. Diese Pläne beruhten auf einer Kombination von Blitzkrieg gegen die DDR und konterrevolutionären Aktionen im Lande selbst. Erst vor wenigen Wochen hatte er einen entsprechenden Artikel des "Münchner Merkur" in die Hand bekommen. Alfons Dalma, Sprecher des Führungsstabes der westdeutschen Armee und Freund des Bonner Verteidigungsministers Franz-Josef-Strauß, schrieb am 24./25. Juni 1961: "Das Wohlbehagen eines Feriensommers ist trügerisch. Auch der Wahlkampf (Bundestag - d. Verf.) lenkt uns nur ab." Wovon? Davon, die Initiative gegen die DDR zu ergreifen. Dalma stellte seinen Lesern die Frage: "Ist Euch die Aufrechterhaltung des Anspruches auf Gerechtigkeit und auf nationale Einheit die Verwüstung der blühenden Bundesrepublik wert?" Anschließend entwickelte Dalma ein Rezept, wie ein Weltkrieg verhindert und die Eroberung der Deutschen Demokratischen Republik trotzdem bewerkstelligt werden könnte. Die Verwüstung der blühenden DDR war allerdings Voraussetzung für dieses Konzept!

Der Freund von Strauß schlug zwei Maßnahmen vor, die er als Einheit betrachtete: 1. "Die Bundesrepublik müßte ein nukleares Vergeltungspotential erhalten... Die Bereitstellung solcher Sprengköpfe für die. Bundeswehr durch die Amerikaner ist eine jederzeit technisch mögliche Maßnahme, die auch für den Ernstfall erwogen wird." Durch die Drohung mit dem Atomkrieg sollten die Staaten des Warschauer Vertrages abgehalten werden, der DDR zu Hilfe zu kommen, wenn der Imperialismus der BRD die DDR völlig destabilisiert und "heim ins Reich" holt.

2. Den Anlaß für eine solche Aktion sollten konterrevolutionäre Handlungen bilden, die mit "entsprechender politischer, psychologischer, propagandistischer und nicht zuletzt auch organisatorischer und subversiver Vorbereitung seitens des Westens" erfolgen. Die von der BRD organisierten und gesteuerten Maßnahmen "würden von der Sabotage der Produktion und des Verkehrs über eine Streikwelle bis zum vollständigen passiven Widerstand, von der Massendesertion und von den Straßendemonstrationen bis zur völligen Auflösung der ´Volksarmee´ und bis zum regelrechten Volksaufstand gegen die Sowjettruppen gehen können."

Das alles sprachen die Vertreter des Militarismus der BRD offen aus. Sie wollten damit die Bevölkerung der Bundesrepublik auf die Beseitigung der DDR vorbereiten, ihre Unterstützung gewinnen und sie zugleich in bezug auf die Existenz der BRD beruhigen. Wie weit war dann aber ihre geheime Planung gediehen, wenn Ziel und Methoden so offen ausgesprochen wurden?

Walter Lembkes Gesichtszüge wurden hart und drückten Entschlossenheit aus. Man konnte aus ihnen ablesen: Es wird ihnen nicht gelingen! Er kam am bereits früher festgelegten Treffpunkt der Bataillonskommandeure der Berliner Kampfgruppen an. Einige Kommandeure waren schon anwesend, andere kamen mit ihm zusammen. Schon bei den ersten einführenden Sätzen erkannte er: An diesem 13. August 1961 stehen die Arbeiterklasse der DDR und ihre Partei vor Aufgaben, die Kühnheit, Kampfentschlossenheit und Disziplin verlangen. Wird sein Bataillon diesen Anforderungen gewachsen sein?

12 Jahre Deutsche Demokratische Republik - 12 Jahre angestrengte Aufbauarbeit der Werktätigen! War man jetzt aus dem Schneider? Es schien so.

Wie hatte doch der Sprecher eines Großunternehmens gehöhnt, nachdem die Monopole den größeren und reicheren Teil des von ihnen zerrissenen Deutschlands 1949 wieder unter ihre Macht gebracht hatten? "Nach drei, längstens nach sechs Monaten holen wir die Produktionsmittel zum Schrottwert bei euch ab." Und wie sah es 12 Jahre später aus?

Das Fundament der Volkswirtschaft - die Grundstoff- und Schwerindustrie sowie das Energiesystem - waren neu auf- beziehungsweise ausgebaut worden. Zunehmend begannen sich die Investitionen positiv auszuwirken. So stieg die Industrieproduktion von 1958 bis 1960 auf 121,2 Prozent Die Arbeitsproduktivität erhöhte sich 1958 um 8,7 Prozent und im Jahr darauf um 10 Prozent. Einen wesentlichen Anteil daran hatten die 1958/59 eingeleitete Rekonstruktion zahlreicher Großbetriebe sowie die Leistungen der sozialistischen Arbeitsgemeinschaften´ der Aktivisten und der Neuerer.

Eine Reihe neuer Betriebe und Großanlagen nahm in dieser Zeit die Produktion auf. Am 1. Juli 1960 konnten allein im VEB Chemische Werke Buna 6 neue Großanlagen mit dem Probebetrieb beginnen. Im Oktober lief die Produktion im Plastewerk Schwerin an. Eine neue Anlage zur Herstellung vollsynthetischer Fasern begann im November im VEB Kunstseidenwerk "Friedrich Engels" in Premnitz zu produzieren. Im Kombinat "Schwarze Pumpe" ging die erste Anlage in Betrieb, und im Rostocker Überseehafen wurde die erste Baustufe fertiggestellt. Die Geburtsstunde so wichtiger Betriebe wie des VEB Halbleiterwerk Frankfurt/ Oder und des VEB Elektroprojekt und Anlagenbau Berlin lag in den Jahren 1958/59. Kurzum: Die Deutsche Demokratische Republik festigte ihre wirtschaftliche Basis.

Die Arbeit hatte sich für die Bevölkerung der DDR ausgezahlt. Von 1958 bis 1960 stieg der Warenumsatz je Einwohner von 2199 auf 2608 Mark. Das Leben war schöner, reicher und kulturvoller geworden.

Die Werktätigen konnten die schweren Folgen des zweiten Weltkrieges, der Spaltung und des ständigen kalten Krieges der Imperialisten der BRD gegen die Deutsche Demokratische Republik nur überwinden und die neuen Reichtümer schaffen, weil sie diszipliniert unter Führung der SED für die sozialistische Gesellschaft, für sich arbeiteten. Dabei konnten sie sich auf die brüderliche Hilfe der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten stützen.


klick zurück weiter klick

Startseite