Freiheit, die sie meinenMärz 1961. Fast alle waren gekommen. Ihre Namen und Gesichter kannte man durch Presse und Fernsehen, obwohl sie nur selten im Vordergrund der Bonner Szenerie standen. Sie waren deshalb jedoch keineswegs Statisten, sondern die eigentlichen Regisseure der Politik, die das Spiel beherrschten. Sie vertraten auf dieser Tagung die mächtigsten Wirtschaftsverbände, die mehr als 120 Revanchistenorganisationen der Bundesrepublik, die CDU/CSU und die anderen Parteien des Bundestages sowie die Bonner Ministerien und große Forschungsinstitute. Die Versammlung trug einen langen Namen: Plenartagung des Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen.

Im Jahre 1952 gegründet, entfaltete dieser Beirat eine umfangreiche und intensive Arbeit, von deren Ergebnissen nur selten etwas an die Öffentlichkeit drang. Seine Aufgabe bestand darin, Pläne dafür auszuarbeiten, wie in der DDR nach der Zerschlagung der Arbeiter-und-Bauern-Macht der Kapitalismus restauriert werden sollte. "Die eine Hauptaufgabe", so führte J. B. Gradl, Präsident dieses Beirates seit 1958, aus, "ist die Verwandlung, die Transformation der sowjetzonalen Wirtschaftsordnung im Sinne freiheitlicher marktwirtschaftlicher Vorstellungen. ... die Wiederherstellung eines selbstverantwortlichen Unternehmertums ist dabei wichtig. Wegen der großen Bedeutung" die diesem Problemkreis zukommt, hat sich der Forschungsbeirat mit ihm ständig und sehr intensiv befaßt."

Nannte Gradl hier völlig ungeniert eine der Hauptaufgaben des Forschungsbeirates - die Zerschlagung der sozialistischen Wirtschaft der DDR und die Übergabe der volkseigenen Betriebe an kapitalistische Unternehmer -, so sagte er nichts zu dem Problem, das dem Beirat erhebliche Kopfschmerzen gemacht zu haben schien: Wie wird die Beute nach der Eroberung der DDR am schnellsten, besten und reibungslosesten unter die Monopole und kapitalistischen Interessenverbände aufgeteilt?

Mitte März 1961 also verabschiedete die Plenartagung die letzten Empfehlungen für die Bundesregierung. Damit schloß der Forschungsbeirat seine Arbeiten zunächst einmal ab. Jetzt lag es bei den Militärs und Politikern der Bundesrepublik, wann, wie und mit welchem Ergebnis die Liquidierung der DDR erfolgen würde. Lag es wirklich bei denen?

Am 6. Juli 1961 wurden die Vorschläge des Forschungsbeirates der Öffentlichkeit übergeben. Das Buch, in dem die Ergebnisse der Tätigkeit von 1957 bis 1961 zusammengefaßt worden waren, wird wegen seines grauen Einbandes sehr häufig als Grauer Plan" bezeichnet. Was sah er vor?

Eine von der BRD eingesetzte "Behörde" und Vertrauensleute der westdeutschen Monopole sollten den Banken, Konzernen und Junkern übergeben, was die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, nach der Zerschlagung des Faschismus unter schweren Opfern geschaffen hatte. Die Planungsstäbe der BRD gingen davon aus, daß die Errungenschaften der DDR nicht mit einem Schlag zu beseitigen und der Kapitalismus nicht binnen kurzer Frist zu restaurieren sein würden. Daher wurde geplant, die volkseigenen Betriebe in der DDR in drei Etappen an die Monopole zu übergeben:

  1. Zerschlagung aller zentralen Planungs- und Leitungsorgane, Überführung der volkseigenen in kapitalistisch produzierende Betriebe;

  2. Abschluß von Betriebsbenutzungsverträgen vor allem mit denjenigen, die nach 1945 enteignet worden waren oder ihren Erben;

  3. Übergabe der Unternehmen in volles Privateigentum. Besonders interessant für die Monopole der BRD war die Frage: Was geschieht mit solchen großen Betrieben wie dem Eisenhüttenkombinat Ost, den Werften, den Betrieben der Elektrotechnik, Elektronik und der Chemie sowie den anderen, die erst vom Arbeiter-und-Bauern-Staat errichtet worden waren? Auch dazu gab es eine unmißverständliche Empfehlung im "Grauen Plan": "Betriebe, die in der SBZ zwischen dem 8. Mai 1945 und der Wiedervereinigung aus Mitteln des ´Staatshaushaltes´ errichtet wurden, können von der Behörde ... verkauft werden." (!)

Den Abbau der politischen und sozialen Rechte der Werktätigen der DDR wagte der Forschungsbeirat nur vorsichtig anzudeuten. Nur wenige verstanden sofort, daß sich hinter dem folgenden Satz die Absicht verbarg, den Feriendienst des FDGB, das sozialistische Gesundheits- und Kurenwesen zu zerschlagen. "Die dem FDGB und seinen Einzelgewerkschaften sowie der Deutschen Versicherungsanstalt und der Vereinigten Großberliner Versicherungsanstalt übertragenen politischen, organisatorischen und finanziellen Befugnisse erlöschen."

Eines war dem Forschungsbeirat und seinen Auftraggebern klar: Die Überführung des Volkseigentums in kapitalistisches Eigentum würde nur in härtestem Kampf geschehen. Dementsprechend richtete der Beirat seine Planung und seine Anstrengungen auf die Zerschlagung der Arbeiter-und-Bauern-Macht, der SED und des FDGB. So erarbeitete er beispielsweise eine Kartei, in der er alle Mitarbeiter des Staatsapparates der DDR erfaßte. Nach dem Tag "X" sollte die Mehrzahl von ihnen abgelöst und durch Vertrauensleute des Kapitals ersetzt werden. Der Forschungsbeirat signalisierte der Bundesregierung, daß es in der DDR an "mit den Prinzipien eines freiheitlichen Systems vertrauten Fachkräften für gehobene Positionen in Wirtschaft und Verwaltung" mangele. In der Tat! In diesem Staat der Arbeiter und Bauern dient absolut nichts der "Freiheit" imperialistischer Machart. Deshalb waren vom Forschungsbeirat im Sozial-, Gesundheits- und Schulwesen sowie in allen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens der DDR personelle Veränderungen vorgesehen. Besonders schnell sollten sie in den Betrieben vorgenommen werden.

Die beabsichtigte Zerschlagung der SED und die gewaltsame Aufhebung der Befugnisse des FDGB sowie die vorgesehene Bildung von Arbeitgeberverbänden auf dem Gebiet der DDR zeugten davon, daß die AEG, Siemens, Krupp, Flick, die Nachfolger von IG-Farben, die Deutsche Bank und andere Monopolvereinigungen es ernst mit der "Befreiung" der Bürger der DDR meinten. In keinem anderen veröffentlichten Dokument der BRD wird so klar wie in den Tätigkeitsberichten des Forschungsbeirates gesagt, daß man unter "Befreiung" der DDR die Auslieferung der Wirtschaft an eine Handvoll Unternehmer der BRD und die Zerschlagung aller sozialistischen Errungenschaften in der DDR zu verstehen hat und wer "frei" über das verfügen will, was das Volk der DDR erarbeitet hat.

Die Versuche der herrschenden Kreise der Bundesrepublik, auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik das kapitalistische System wiederherzustellen - wie zum Beispiel im Juni 1953 -, waren gescheitert. Die Vertreter der Monopole verzichteten aber nicht darauf, immer neue Varianten zu erarbeiten. Trotz der ständigen Störpolitik hatte die Arbeiterklasse der DDR in engem Bündnis mit den anderen Klassen und Schichten ihre Macht gefestigt und die Wirtschaftskraft beträchtlich erhöht. Die DDR gehörte untrennbar zur sozialistischen Staatengemeinschaft, die über starke wirtschaftliche und starke militärische Mittel verfügte. Der Politische Beratende Ausschuß der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages erklärte mehrfach, daß er jedes Mitglied mit seiner ganzen Macht gegen Aggressionen schützen werde.

Die Zeit arbeitete gegen den Imperialismus der BRD. Da entschied sich die Regierung Adenauer und Strauß für eine Flucht nach vorn. Gestützt auf ihre wirtschaftliche Kraft, beschleunigte sie die Aggressionsvorbereitungen gegen die DDR als erste Etappe der Zerschlagung des Sozialismus überhaupt. Aus den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges lernend - der deutsche Faschismus wollte 1939 die Welt durch eigene Stärke unter sein Zepter zwingen -, suchte der Imperialismus der BRD für seine abenteuerliche Politik Rückendeckung durch die NATO. Viele Militärs der NATO-Staaten fanden sich auch zu solcher Unterstützung bereit, obwohl sie in den eigenen Ländern zunehmend auf den Widerstand der Bevölkerung stießen.

Gedeckt durch die NATO und gestützt auf die wirtschaftlichen Potenzen verschärften die führenden Kreise der Bundesrepublik die wirtschaftliche Störtätigkeit gegen die DDR, beschleunigten die Aufrüstung und intensivierten den psychologischen Krieg.


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