Gedanken zum 13. August 1961

Der 13. August 1961 ist schon Geschichte. Will man verstehen, dass das wichtigste Ergebnis jener Augusttage die Rettung und Erhaltung des Friedens in Europa war, so muss man sich diese Situation vergegenwärtigen: Der Gegner inszenierte Zusammenstöße, organisierte Provokationen und scheute auch vor keinem Mord zurück. Tatsächlich kam es nach dem 13. August im Westen zu einem Prozess des Nachdenkens, auch des Umdenkens. Bei den einen ging das rascher, bei anderen langsamer. Manche haben die Lektion der Geschichte bis heute nicht verdaut. Gerade deshalb seien die folgenden Ereignisse des 13. August hervorgehoben.

Der Frieden, 1945 von der Antihitlerkoalition mit ihrer Hauptkraft, der Sowjetunion, unter so großen Opfern errungen, wurde verteidigt. An jener sensiblen Grenze, an der sich die beiden Weltsysteme mit ihren militärischen Hauptkräften gegenüberstanden, wurde die Grundlage für die Gewährleistung der Sicherheit in Europa gefestigt. Die Entwicklung seitdem hat bestätigt, dass Ruhe und Ordnung bis 1990 im Interesse von Ost und West lagen. Die längste Friedensperiode dieses Jahrhunderts in Europa ist auch das Ergebnis des 13. August 1961.

Wie war das damals?

Im Juni 1961 erklärte der damalige Regierungschef Adenauer: "Was östlich von Elbe und Werra liegt, sind Deutschlands ungelöste Provinzen. Daher heißt die Aufgabe nicht Wiedervereinigung, sondern Befreiung". Franz Josef Strauß (damaliger Verteidigungsminister) nach einer USA-Reise: "Unsere Planung im Anfang diplomatisch-politische Schritte, in der Mitte ökonomisch-technische Schritte und am Ende militärische". In den USA hatte Strauß vom bevorstehenden "Bürgerkrieg in Ostdeutschland" gesprochen und gedroht: "Der zweite Weltkrieg ist noch nicht zu Ende". Und "es gibt in der militärischen Planung nunmehr noch den Fall Rot"! "Der Spiegel" im Juli 1961 über die Konzeption der CDU/CSU: Die Zone sollte "befreit", mit einem "befreiten" Polen sollte über die "Rückgabe" der verlorenen Ostgebiete verhandelt werden. Den Königsbergern wurde die Rückkehr in ein "befreites" Ostpreußen versprochen. Dies waren die von Kanzler Adenauer ausgesprochenen Ziele: Die Gedanken der noch weniger Ängstlichen schweiften weiter und machten selbst am Ural nicht halt.

Am 10. August 1961 inspizierte der Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa Mitte, BRD-General Speidel, die an der Staatsgrenze zur DDR eingesetzten Einheiten.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Heusinger, meldet, sieben Bundeswehr-Divisionen stünden bereit, unverzüglich jede Mission auszuführen. (Jeder Bürger dieses Landes sollte wissen, dass diese genannten Generale maßgeblich den "Plan Barbarossa" für Adolf Hitler zum Überfall auf die Sowjetunion ausgearbeitet haben. Diese faschistischen Generale und andere wurden durch Adenauer Anfang der fünfziger Jahre für den Aufbau der Bundeswehr eingesetzt. Auch das zeigt den "Charakter" dieser Armee.)

Die Bundeswehr hatte im Sommer 1961 eine Stärke von 311.000 Mann erreicht. Zusammen mit den Einheiten der Territorialverteidigung, des Bundesgrenzschutzes, der Polizei und der Bereitschaftspolizei verfügte der Bonner Generalstab über eine Million militärisch ausgebildeter Kräfte. Alle Manöver der damaligen Zeit ließen eindeutig die Angriffsrichtung DDR erkennen.

Für die NATO-Verbände in Europa wird ab 1. August die Alarmbereitschaft angeordnet. Der erste "Regierende Bürgermeister" von Westberlin, Ernst Reuter (SPD), hatte Westberlin als "Schlüssel, mit dem wir das Tor nach Osten aufstoßen", bezeichnet. "Billigste Atombombe", "Frontstadt der freien Welt" und "Pfahl im Fleische der Ostzone" waren Losungen, die den Geist und das Handeln auch seiner Amtsnachfolger bestimmten.

Durch die Bonner Störtätigkeit wurde der DDR in der Zeit von 1950 bis 1961 ein ökonomischer Schaden von ca. 120 Mrd. Mark zugefügt. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Professor Fritz Baade, Direktor des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, errechnete, die BRD schulde der DDR bis 1961 eine Summe von weit über 100 Milliarden Mark und "unser Wohlstand ist eine Folge der Diskriminierung der DDR". Soweit zu einigen wichtigen Fakten, die nachweisbar fortführbar wären. Dazu schweigen seit Jahrzehnten ganz bewusst und gezielt alle BRD-Medien.

Auch der PDS-Vorstand hat darüber seine "eigene Meinung". Im Vordergrund stehen nicht die geschichtlichen Tatsachen, sondern die Verteufelung der DDR. Verantwortliche Offiziere der Grenztruppen der DDR (meine Person einbegriffen) haben aus der Erklärung des Parteivorstands PDS zum 13. August 1961 ihre Schlussfolgerungen gezogen.

Wie reagierten die Warschauer Paktstaaten?

Im Bewusstsein gemeinsamer Verantwortung für die kollektive Verteidigung des Friedens beriet der Politisch-Beratende Ausschuss des Warschauer Vertrages in der Zeit vom 3. bis 5. August 1961 in Moskau. Am 12. August 1961 wandten sich die Regierungen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages "an die Volkskammer und die Regierung der DDR mit dem Vorschlag, an der Westberliner Grenze eine solche Ordnung einzuführen, durch die der Wühltätigkeit gegen die Länder des sozialistischen Lagers zuverlässig der Weg verlegt und rings um das Gebiet Westberlins, einschließlich seiner Grenze mit dem demokratischen Berlin, eine verlässliche Bewachung und eine wirksame Kontrolle gewährleistet wird". Die Volkskammer der DDR trat zusammen und beauftragte den Ministerrat, alle Maßnahmen zum Schutz der Bürger der DDR und zur militärischen Sicherung der Staatsgrenze der DDR zur BRD und Westberlin zu treffen.

Der Ministerrat der DDR fasste den notwendigen Beschluss: "Zur Unterbindung der feindlichen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kräfte in der BRD und Westberlin wird eine solche Kontrolle an den Grenzen der DDR, einschließlich der Grenze zu den Westsektoren von Groß-Berlin, eingeführt, wie sie an den Grenzen jedes souveränen Staates üblich ist".

Heute stellen sich die "Sieger der Wiedervereinigung" der DDR hin, als wäre alles das nicht gewesen. Auf Hochtouren läuft seit Jahren die Propaganda über den sogenannter "Mauerbau" und die damit verbundenen Folgeerscheinungen, besonders die Verteufelung der DDR.

Niemand will heute noch wahrhaben, dass der Kalte Krieg seinerzeit "Glanzzeiten" erreicht hatte und der Frieden auf des Messers Schneide stand. Die Geschichte wird von den heutigen Machthabern des Monopolkapitals so geschrieben, wie sie es für ihre Politik brauchen, um ihre Großmachtansprüche verwirklichen zu können. Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR saßen auf der Anklagebank, Grenzerprozesse waren bis heute an der Tagesordnung. Von den ermordeten Grenzsoldaten der DDR spricht kaum jemand.

Aber der "heutige Sieger" braucht doch eine Rechtfertigung für seine gegenwärtige Aggressionspolitik, für den Einsatz der Bundeswehr in Jugoslawien und den anderen Orten der Welt, wo die Interessen des deutschen Monopolkapitals verteidigt werden müssen. Am Grenzregime der DDR ist weder die Aufnahme der DDR in die UNO, nicht ihre internationale Anerkennung durch mehr als 130 Staaten, auch nicht die Annahme des Grundlagenvertrages gescheitert. Das Grenzregime wurde auch nicht in Frage gestellt, als die vier Mächte das Berlin-Abkommen abgeschlossen haben. Negiert oder geleugnet wird, dass die DDR einem militärischen Paktsystem angehörte, was sie zu bestimmten hoheitsrechtlichen Maßnahmen verpflichtete und dass sie ein legitimes Interesse hatte, sich gegen den deutschen Staat zu schützen, dessen erklärtes Ziel von Anfang an die Beseitigung des zweiten deutschen Staates war. "Gewöhne dem Marder das Morden ab und dem Imperialismus das Ausrauben und Ausbeuten der Völker! Beides geht nicht, denn ohne Mord ist der Marder kein Marder und ohne Raub und Ausplünderung der Imperialismus kein Imperialismus. Beide lernen Vorsicht, können ihr Wesen aber nicht aufgeben, ohne sich ganz aufzugeben!"

Nachtrag: Wie notwendig es ist, einen objektiven Standpunkt in Fragen von Krieg und Frieden zu besitzen, haben mich die Erfahrungen meines ganzen Lebens gelehrt. Ich bereue nicht eine Minute meines Lebens in der DDR. Ich habe für die DDR gelebt und habe alles für ihre Stärkung getan. In verantwortlichen Funktionen als Offizier der NVA habe ich meinen persönlichen Beitrag für die Erhaltung des Friedens geleistet. Ich habe mich für nichts zu entschuldigen und habe nichts zu bereuen. Wer sein Leben für die DDR eingesetzt hat, hat nicht umsonst gelebt.

Hein Friedriszik
(Oberst a.D. der NVA)

Aus: DKP-Thüringen-Report Nr. 5, Sept. 2001


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