Wie USA-Senator Fulbright 1961 die "Mauer" empfahl
... "sie haben jedes Recht dazu"

Anfang August 1961 sah ich im Fernsehen der BRD eine Sendung mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses im USA-Senat, J. William Fulbright, der jahrzehntelang bedeutenden Einfluß auf den internationalen Kurs der Vereinigten Staaten ausübte.

Angesichts der Gefahren, die aufgrund der "Politik am Rande des Krieges" in Mitteleuropa entstanden waren, brachte der Senator seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, daß die Russen und die Ostdeutschen die Grenze noch immer nicht geschlossen hätten.

Fulbright sagte das am 30. Juli (!) im amerikanischen Fernsehen. Das westdeutsche Fernsehen strahlte seine Erklärung mehrere Tage vor dem 13. August aus. Jahrzehnte später konnte man im "Spiegel" (Heft 52/1993) den Wortlaut lesen: "Die Wahrheit ist doch, und davon gehe ich aus, daß die Russen sowieso jederzeit die Grenze zumachen können. Ich meine, wir geben da nicht allzu viel auf ..., denn wenn sie die Grenze abriegeln wollen, könnten sie das schon nächste Woche tun – und sogar, ohne vertragsbrüchig zu werden. Ich verstehe nicht, weshalb die Ostdeutschen ihre Grenze nicht schon längst zugemacht haben, denn ich glaube, sie haben jedes Recht dazu."

Mir erschien das 1961 fast  wie ein "Befehl" der USA an die UdSSR und die Staaten des Warschauer Vertrages, nun endlich das Unvermeidliche zu tun, um die Lage in Europa nicht außer Kontrolle geraten zu lassen und bei der "Politik am Rande des Krieges" besagten Rand nicht, angestoßen durch irgendeinen Zwischenfall, zu überschreiten.

Die Lage in Berlin war seit der Spaltung durch die Einführung der westdeutschen Währung immer gespannt gewesen – Frontstadtpolitik. Berlin, die billigste Atombombe, mit der man die Sowjetunion in die Luft sprengen könne, und so weiter.

Anfang 1961 wurde alles noch gefährlicher. Ich erinnere mich, daß eine Westberliner Zeitung schrieb, 1960 sei das afrikanische Jahr gewesen (viele Kolonien, so auch Belgisch-Kongo, waren formell selbständig geworden), 1961 aber werde das Jahr Berlins sein. Es wurden gewaltige Summen genannt, mit denen Westberlin zum "Schaufenster der freien Welt" herausgeputzt und die Ostberliner sowie die Bewohner der DDR überhaupt demoralisiert werden sollten. Diese Mittel gibt es seit einigen Jahren bekanntlich nicht mehr, weshalb die Zahl der Arbeits- und Obdachlosen, der geschlossenen Betriebe, Theater usw. auch in Westberlin enorm gestiegen ist und der Senat, Jahrzehnte daran gewöhnt, von Bonn Geld zu bekommen, ratlos vor der Pleite steht. Damals aber übte Westberlin große Anziehungskraft aus. Es gab immer mehr Grenzgänger, Ostberliner, die sich im Westen DM verdienten. Andere gingen für immer weg, teils angelockt durch das "Schaufenster" des "Wirtschaftswunders", das praktisch keine Arbeitslosigkeit kannte, teils, weil sie den bevorstehenden Krieg fürchteten, bei dem sie nicht zum dritten Male auf der Seite der Verlierer stehen wollten; denn daß die Amis gewinnen würden, schien ihnen sicher.

Mit der Schließung der Grenze stabilisierte sich nicht nur die DDR, sondern die Lage in Europa. Und es deutete sich der Übergang von der Politik des "Roll Back bis hinter den Ural" zu einer Politik des "Wandels durch Annäherung" an, die bekanntlich für den Imperialismus erfolgreich verlief.

Am 30. Juni 2001 berichtete der Berliner "Tagesspiegel" über einen Vortrag zum 13. August, den der damalige RIAS-Direktor und Dolmetscher Kennedys, R. H. Lochner, tags zuvor gehalten hatte. Auf der Veranstaltung wurde von Zuhörern "die Frage erhoben, ob die Alliierten vom bevorstehenden Bau der Mauer gewußt, ob sie ihn gar billigend in Kauf genommen hätten". Über Lochners Antwort schweigt sich die Zeitung aus. Die Frage zeigt jedoch, daß die zitierten Äußerungen Fulbrights den Fragestellern offensichtlich unbekannt waren.

Walter Florath

Aus: Rotfuchs Nr. 7, Juli 2001


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